“Wo habe ich das nur? Hast Du mir das nicht per E-Mail geschickt? Oder war das im Chat? Das auf dem Laufwerk ist aber nicht die aktuellste Version.” Die Digitalisierung leert an vielen Orten die Aktenschränke. Doch mit jedem Ordner, der verschwindet, wächst oft auch die Zahl der digitalen Kanäle, die alternativ aufgebaut werden. Dabei entsteht dann, was ich gerne als “Chaos Computer Communication” bezeichne. Ein Praxisbeispiel aus einem mittelständischen Unternehmen mit knapp 100 Mitarbeitenden zeigt, wie schnell das manchmal geht. Hier werden folgende Kanäle genutzt:
- lokale Laufwerke zum Speichern von persönlichen Dateien in der Cloud
- Cloud-Laufwerke zum Teilen und Dokumentieren von Informationen mit Kolleginnen und Kollegen
- ein Fileserver zum Versenden von größeren Dateien an Kunden
- ein internes Messaging System mit Text, Audio und Video
- ein Social Intranet, in dem alle Mitarbeitenden publizieren können (workplace)
- eine, von Usern gepflegte, Wissensdatenbank (Confluence), die unter anderem eine über Jahre hinweg als Hauptspeicherort genutzte Datenbank (Lotus Notes) ablösen soll. In einer Übergangszeit werden beide Systeme genutzt.
- Vimeo, Dropbox, WeTransfer – mit Dateien, die Geschäftspartner an das Unternehmen senden
- ein Videokonferenzsystem (Cisco Webex)
- Skype oder Zoom, wenn externe Geschäftskontakte zu Videokonferenzen einladen
- eine Whats-App-Gruppe zum informellen Austausch der Mitarbeitenden eines Standorts
- ein paar zaghafte Versuche des Task-Managements auf Trello und Wunderlist
- Slack, das Zeitweise zum Austausch von Informationen mit einer externen Mitarbeiterin genutzt wurde.
- interessante Beiträge auf LinkedIn werden im internen Messenger von LinkedIn mit Kollegen geteilt.
Für sich alleine ist jedes Tool sehr einfach zu bedienen.
Die Chaos Computer Communication fängt aber an, wenn alle Mitarbeitenden diese Kanäle nach bestem Gewissen und (Un-)Wissen nutzen.
Kommunikationsleistungen müssen zum Business und der Kultur eines Unternehmens passen. Deshalb gibt es auch hier keine Universallösung, die für jede Firma passt. Aber diese sieben Tipps helfen bei der Strukturierung Ihrer Kommunikationskanäle.
1. IT gibt den Rahmen
Google hat eine große Palette an nützlichen Tools. Zudem gibt es Dutzende von Startups mit tollen Kommunikationslösungen. Wenn sich Ihre IT für Microsoft entschieden hat, nützt das aber nichts. Mit jedem Tool, das Ihre Mitarbeiter abseits der grundsätzlichen IT-Entscheidungen Ihres Unternehmens einsetzen, riskieren Sie Datenverlust, rechtliche Probleme mit dem Datenschutz und Wissensverlust. Im Umkehrschluss heißt das für die IT: Bleibt offen und agil, schaut Euch die neuen Tools an und helft Sinnvolles schnell zu integrieren.
2. Keinen Kanal ohne klare Funktionsbeschreibung einführen
Neue Tools brauchen eine klare Beschreibung der Funktion. Wo sollen sie helfen und für was sind sie nicht gedacht. Dabei muss zudem jedes Mal überprüft werden, ob eine alte Lösung damit überflüssig wird. Viele Firmen investieren Monate in die Evaluation von Tools und sparen sich aber nach der Einführung die Zeit für einen Review. Effektiv ist Ihre Kommunikation, wenn es nach 100 Tagen und nach einem Jahr jeweils ein kurzes Review gibt. Sind die Ziele erreicht? Braucht es Anpassungen? Oder war es vielleicht sogar ein Fehlgriff, der gar nicht genutzt wird?
3. Mobile Kommunikation in allen Aspekten bedenken
Für manche mag das trivial klingen, aber natürlich muss jede Lösung auch mobil tauglich sein. Dazu kommt: Die Cloud ist ein sehr vielschichtiger Begriff. Nur weil ich auf bestimmte Dokumente mobil zugreifen kann heißt das nicht, dass ich sie auch lesen oder gar bearbeiten kann. Wer viel unterwegs ist, neigt dazu auch viele Anfragen auf dem Mobiltelefon zu lesen. Hier ist ein Mail-Attachement oft leichter zu handhaben als ein Link zum Cloud-Speicher. Der Einsatz der Kanäle muss sich auch an den Arbeitsbedingungen der Teams orientieren.
4. Digitale Kommunikation wird unterschiedlich wahrgenommen
Wenn Teams noch nicht lange mit digitalen Tools arbeiten oder neue Mitarbeitende an Bord sind, braucht es zum Start mehr persönliche Kommunikation. Gespräche am Schreibtisch oder ein traditionelles Telefonat bei Remote-Teams sind weiterhin sehr wirksam für den Aufbau eines Grundvertrauens. Das funktioniert auch mit Videokonferenzen. Eingespielte Teams mit hoher Digitalkompetenz machen das schneller über interne Chat-Plattformen. Andere Teams brauchen aber auch heute noch den Vorlauf des persönlichen Kontakts.
5. Interner Chat
Der Chat hat im Gegensatz zum Anruf oder persönlichen Besuch am Schreibtisch einen ganz entscheidenden Vorteil. Er lässt sich synchron oder asynchron nutzen, wenn das so vereinbart wurde. Das bedeutet: Wenn ich Zeit habe, antworte ich sofort und wenn nicht, dann eben später. Manche Menschen, versuchen mit internen Chats ihre E-Mailflut zu verringern. Das ist nicht der Sinn einer Chat-Plattform. Eine anstrengende und zeitintensive Unart ist der Versand von Dokumenten in Chats. Dokumente gehören in die Cloud, wo jeder auf die aktuellste Version Zugriff hat!
6. Social Intranet
Social Intranets wie z.B. Workplace funktionieren gut bei digital affinen Menschen. Die meisten Pages und Gruppen entstehen bottom up aus Rollen und Interessen der Mitarbeitenden heraus. Aber auch hier lohnt es sich top down gewisse Leitplanken zu kommunizieren. Nicht jedes neue Restaurant am Standort B ist für die Belegschaft am Standort A interessant. Social Intranets sind auch kein Marktplatz, auf dem man ausruft: “Hey, ich brauche mal xy. Hat jemand was dazu.” Solche Anfragen werden besser gezielt an Personen gestellt, die dafür in Frage kommen.Dazu ist ein Gruppen-Chat oder eine E-Mail wesentlich besser.
7. Always on aber unter Kontrolle
Die Corona-Krise hat in vielen Unternehmen zu einem Kulturschock geführt. Einige Vorgesetzte hatten dabei mit dem Kontrollverlust im Homeoffice zu kämpfen. Ja, das ist ein großer Schritt. Aber auch in der digitalen Kommunikation gilt: Kein Mensch ist 30000 Sekunden am Tag in Habachtstellung und wird sofort auf jede Anfrage reagieren.